Ein sehr erholsamer zweiter Paddeltag! Nach der Plackerei von gestern war mir nach Treibenlassen. Und das ließ sich wunderbar auf diesem kräftig strömenden Stück machen. Da ich die lange Umtragaktion um den Rheinfall morgen früh machen will, standen auch nur lockere 17 Kilometer für heute auf dem Programm. Ich habe mich dabei ausgiebig erholt und den Fluss in vollen Zügen genossen.

Teilweise kam richtig Urwaldstimmung auf. Die Ufer dicht und hoch bewaldet, ein kräftiges und vielstimmiges Vogelgeschrei von überall her aus den Bäumen und sonst über weite Strecken nichts - kein Autolärm, keine Motorboote, Segler gibt es hier ohnehin nicht mehr. Gelegentlich passiert mich eines der Kursschiffe, die hier regelmäßig verkehren. Der Rhein ist aber hier breit genug, sodass unangenehme Situationen aus bleiben.

In Dießenhofen unterquere ich eine schöne, überdachte Holzbrücke. Sowas gab's woanders nur noch vor hundert Jahren. Ich mache kurz halt, bewundere die Brücke und nehme in einem kleinen Seitengraben mitten im Ort mein zweites Frühstück im Boot.

Von den Passanten werde ich immer freundlich und interessiert beobachtet. Ich erinnere mich an frühere Zeiten, als ich solchen Booten hinterher geschaut und gedacht habe: "Sowas könntest Du auch mal machen." Und nun bin ich vielleicht der Anlass für solche Gedanken bei jemand anderem.

Schließlich muss ich mich entscheiden: im Flussführer wird ein schöner und ruhiger Zeltplatz bei Kilometer 37,2 empfohlen. Dann hätte ich heute jedoch kaum Strecke gemacht und müsste morgen erst noch 8 Kilometer nach Schaffhausen fahren, bevor ich umtragen kann. Also fahre ich weiter bis zum Zeltplatz Langwiesen kurz vor Schaffhausen.

Der kommt auch bald in Sicht und ich schaue nach einem Landeplatz aus. Tja, zwar gibt es einen schönen, kleinen Kiesstrand, doch an der einen Seite sitzt scheinbar ein Schwan auf seinem Nest und auf der anderen Seite eine Ente mit ihren Jungen. Dem Schwan lasse ich dann doch lieber das Recht des Stärkeren und fahre vorsichtig bis kurz vor die Entenfamilie. Die schauen nur etwas nervös, lassen mich aber in Ruhe anlanden.

Kaum bin ich aus dem Boot, fängt es an zu regnen. Bei einem Wohnwagenehepaar erkundige ich mich, ob dies der Zeltplatz Langwiesen ist und wie ich zur Rezeption komme. Man gibt freundlich Auskunft und lächelt auch später noch nett, als ich mit Boot auf dem quietschigen Bootswagen übers Gelände zu meinem Platz rollere.

Erst warte ich aber ab, ob der Regen noch nachlässt. Im Nassen ausladen und aufbauen macht ja nun keinen Spaß. Stattdessen leiste ich mir einen Kaffee und ein Stück Kuchen. Lecker! Als ich später noch auf das Regenende unter einem Baum warte, kommt ein anderer Zelter, der wohl mit dem Rad da ist, vorbei und erkundigt sich über das Boot. Er hat wohl im Regen aufgebaut. Ich behaupte ihm gegenüber, spätestens in einer halben Stunde höre der Regen auf. Er gibt mir die Hand und meint: "Abgemacht?" Abgemacht! Muss ich noch erzählen, dass es 25 Minuten später aufhörte? Zwar fing es dann wieder an, nachdem bei mir alles stand, aber das stand ja nicht zur Debatte.

Der Chef de Camping scheint ein lustiger Vogel zu sein. Während ich dabei stehe, erzählt er fröhlich einem älteren Ehepaar in schönstem Schwyzer Duitsch, dass da eben ein deutscher Paddler angekommen wäre und schon habe es angefangen zu regnen. Wir flaxen ein bißchen rum, mir schwirrt der Kopf von dieser lustigen Sprache, von der man nicht immer alles versteht.

Der Zelter von vorhin fragt mich, ob ich im Zelt koche oder mit unter das Regendach eines verlassenen Wohnwagens will. Wie sich heraus stellt, ist er Holländer und heisst Gijsbert (sprich: cheisbert).

Er macht einen vierwöchigen Radurlaub in der Schweiz und ist gestern 123 Kilometer gefahren. War nicht ganz freiwillig, den Zeltplatz, den er ursprünglich ansteuern wollte, gab's nicht mehr. Tja, war gestern auch sein erster Tag. Sind Männer in den Mittvierzigern vielleicht etwas unvernünftig? Wohl ja, aber stolz waren wir beide auf unsere Leistung. Gijsbert macht auch das von meiner Liebsten geforderte Foto von mir. Ich fotografiere dafür ihn und sende ihm das Foto per email.

Morgen also ein Höhepunkt - der Rheinfall von Schaffhausen! Der Zeltplatzinhaber hatte mir die Telefonnummer eines Taxis gegeben, das wohl Paddler samt Boot drumherum fährt. Als ich bei dem jedoch erfuhr, dass er dafür 60 Euro haben will, war der bequeme Weg für mich erledigt. Also wird das Boot morgen fünf Kilometer durch Schaffhausen gerollert und ich locke mich mit einem lange gewünschten Ausblick auf Europas größten Wasserfall.