38 Kilometer auf einem stillen und fast menschenleeren Altrhein - die Mühe hat sich gelohnt. Allerdings hatte ich am Ende wirklich lange Arme. Es gibt zwar keine Wehre unterwegs auf diesem Stück des Altrheins. Man kann also - und das ist nach all der Wehrumtragerei sehr angenehm - immer durchpaddeln. Aber der Altrhein führt nur wenig Wasser und das ergibt wenig Strömung. Etliche Schwellen sorgen einerseits für Spaß beim Durchfahren dieser lebendigen Flussstücke. Andererseits merkt man deutlich, wie auch vor ihnen das Wasser langsamer wird.

Aber ich habe keinen Grund zum Meckern. Der Wasserstand hätte nach Aussage der hiesigen Ruderer noch schlechter sein können. Auch so bin ich an einigen Schwellen nur gerade so rübergekommen und zum Glück nicht stecken geblieben. Man muss bei diesem niedrigen Wasserstand schon genau kucken, wo auf der Schwelle das meiste Wasser läuft. Durch Beobachtung lernte ich, dass das in der Regel in der Außenkurve noch zu Beginn der Schwelle am besten klappt.

Mit diesen Weisheiten waren dann die Schwellen, die wohl wegen des Wasserstandes viel häufiger und über längere Strecken, als es der Flussführer beschreibt, mit Spaß zu fahren und sorgten für die richtige Abwechslung auf dem langen Stück. Abwechslung? Tja, was unterhält einen so während der täglichen sechs Stunden im Boot? Da ist natürlich vor allem die Natur.

Immer gibt es was Interessantes zu sehen. Ob es nun die vielen Kormorane sind, die ihre Flügel zum Trocknen raus hängen. Oder eine Entenmama mit ihrer Kükenschar, die im wilden Zickzack vor dem Boot flüchten (es hilft da nichts, den Kurs von ihnen ab zu halten, die flüchten dummerweise immer stromab und da muss ich nunmal hin). Dann wieder fesselt einen wieder ein kapitaler Karpfen, der scheinbar übermütig direkt vor dem Boot einen Satz aus dem Wasser macht. Dann wieder die vielen Fischreiher mit ihrer Lauerstellung auf Fischpirsch. Ein Sperber saß heute unvermittelt am Ufer auf einem Stein und erst kurz bevor ich ihn sehr nah passierte flog er auf. Wie menschenleer dieses Stück ist, mag man daraus ersehen, dass ich sogar ein Reh völlig ungeniert am Ufer äsen sah. Da ich mich still treiben ließ, bemerkte es mich erst, als ich das Paddel bewegte, und machte sich mit einem eleganten Sprung ins hohe Ufergras unsichtbar.

So ließe sich die Reihe von Naturbeobachtungen fortsetzen ... und ich habe noch gar nicht mit den schönen Uferplätzen und besonderen Baumformen angefangen! Interessant ist zugleich, dass man während eines solchen Tages ohne Menschen ringsum doch gelegentlich mit sich selbst spricht. Und sogar zum Singen von selbstgedichteten, unsinnigen Versen verleitet das fortwährende Plitschplatsch des Paddelschlages den ansonsten gar nicht so sangesfreudigen, einsamen Paddler.

Etwa 8 Kilometer vor dem Breisacher Kulturwehr staut sich der Rhein auf und stellt jedes Fließen vollends ein. Nun heisst es doch noch einmal das Durchhaltevermögen zu erproben. Schmerzt da etwa die rechte Ellenbogensehne? Warum spürt man das Sitzfleisch jetzt so deutlich? Muss der Wind ausgerechnet jetzt von vorne kommen? All solche kleinen Wehwehchen melden sich mit Vorliebe in solchen Situationen. Zum Glück liege ich gut in der Zeit und kann gelegentlich eine kleine Pause einlegen. Nur das Aussteigen habe ich mir heute bis auf eine Pinkelpause verkniffen.

Schließlich komme ich kurz vor dem Breisacher Wehr beim hiesigen Ruderclub an, wo ich übernachten möchte. Nun liegt dieser einsame, freundliche Altrhein, der heute so frei von Menschen und anderen Booten war, leider wieder hinter mir. Vor mir liegt nun die Schifffahrtsststraße, in die ich morgen einfahren werde.

Der Breisacher Ruderverein nimmt mich bereitwillig auf und ich baue bei einigen Regentropfen mein Zelt auf. Dann noch schnell in den Ort gelaufen, um die notwendigen Vorräte aufzufüllen. Eine Pizzeria lädt zum Auslassen meiner Dosenkost ein und ich überrasche anscheinend den Kellner mit meinem Wunsch nach eine Calzone mit Pesto. Der Wirt Giovanni fragt mich auf italienisch, ob ich Italiener bin. Als ich verneine, meint er, dass ich aber wie einer aussehe. Das muss wohl an meiner frischen Farbe nach 10-tägigem Outdoor-Leben liegen. Er klagt über die etwas engstirnige Art der Breisgauer. Wir einigen uns darauf, dass es überall nette und weniger nette Menschen gibt. Aus seiner neuen Kaffeemaschine kriege ich noch einen leckeren Espresso zum Abschluss. Ausgerechnet heute bekam er die Mitteilung, dass seine alte Maschine nun nach achtmonatiger Reparatur wieder einsatzfähig sei. Das Thema erweist sich als abendfüllend.

Satt, müde und gehfaul vom Valpolicella leiste ich mir noch ein Taxi zurück zum Ruderverein. Hier finde ich jetzt auch den Clubwirt, Herrn Oltmann. Der gibt mir für fünf Euro Übernachtungsgebühr den Schlüssel für die Herrenumkleide mit Dusche und WC für morgen früh. Wie sich später herausstellt, handelt es sich um den Schlüssel für die Damenumkleide. Na, das kann ja heiter werden. Ich kann nur hoffen, dass keine der Damen am Dienstag morgen zum Rudern kommt.