Hier gibt es Lesestoff

Endlich geschafft - alle hunderttausend Kleinigkeiten sind erledigt und besorgt, die Fahrt zum Startpunkt ist gelungen und ich bin in Konstanz. Morgen geht es endlich los: mein ganz persönliches Abenteuer - die erste 14-Tage-Tour auf dem Rhein von Konstanz bis ... na mal sehen, ob ich es bis Karlsruhe oder Mannheim schaffe.

Warum diese Tour? Eigentlich ist eine Oldenburger Familie schuld. Völlig fasziniert las ich im letzten Jahr mit, wie die fünf mit ihrem Segelboot auf Weltreise gingen. Alles hinter sich lassen, den richtigen Moment abpassen und mit Mut ins Abenteuer. Ok, eine Weltreise steht bei mir nicht an. Aber warum nicht mal im Kleinen versuchen, was im Großen ja auch nur auf bestimmten Grundlagen basiert?

Den Alltag durchbrechen, sich der Natur so weit es geht annähern und sehen, was sich dann an Erlebnissen ergibt. Segeln kann ich nicht und bisher reizt mich das auch wenig. Also greife ich zu meinem liebsten Gefährt - dem Kajak. Das habe ich über meinen Verein jederzeit zur Verfügung. Urlaub kann ich ja mal mitten in meinen Lieblingsmonat legen. So reifte die Idee und verlangte nach Realisierung.

Warum der Rhein? Ich bin in Koblenz an diesem großen Strom aufgewachsen. Als Kind ging ich oft zum Ufer, ließ Steine flitzen und genoss das Geräusch der Schiffsdiesel, mit dem die Schiffe den Rhein rauf und runter fuhren. Natürlich waren da im Hintergrund immer Fragen: Wo kommt dieser Fluss her? Wo fließt er hin? Ich wusste, dass der Rhein in den Alpen entsprang, vom Rheinfall in Schaffhausen hatte ich gehört. Wie sieht der Rhein aus, wenn er noch kleiner ist und nicht so groß und mächtig daherfließt wie hier in Koblenz?

Daran erinnerte ich mich, als ich überlegte, wo ich eine längere Flusstour paddeln könnte. Aber auch praktische Fragen wirkten mit. 14 Tage auf einem Gewässer - ein langes Stück. Da bietet sich der Rhein an, 400 Kilometer sind ja hier nur ein Teilstück und lassen immer noch viele Folgemöglichkeiten. Und schließlich die unbekannte Gegend. Wenn schon Abenteuer, dann müssen Möglichkeiten für Entdeckungen her. Ich war noch nie am Bodensee und die wenigen, eiligen Autobahndurchfahrten durch die Region von Basel bis Karlsruhe hatten keine Erinnerung hinterlassen. Also entdecken, wo sich der Rhein durchs Jura gegraben hat!

Bei der Ausrüstung half mir meine Erfahrung von der letztjährigen Oberweserfahrt. Was man bei einer mehrtägigen Gepäcktour im Kajak so braucht, wusste ich schon. Gut war es, sich vorher ausführlich über den Fluss und seine Besonderheiten zu informieren. Wann sind die Hochwasserzeiten, in denen man nicht fahren sollte? Welche schwierigen Stellen gibt es außer dem Rheinfall (der natürlich mit seinen 21 Metern Höhe und über tausend Kubikmetern Wasser pro Sekunde nicht fahrbar ist)? Wo sind Wehre und Staustufen? Wie ist es mit der Schifffahrt? Gibt es überall Zeltmöglichkeiten? Was hat es mit dem kanalisierten Stück des Rheins auf sich? Alles wurde zusammengetragen, Flussführer besorgt und einlaminiert. Schöner Nebeneffekt: die Neugier, wie es da nun wirklich aussieht, steigt ins Unerträgliche.

Und so wuchs das Vorhaben bis heute. Bis ich mich endlich ins Auto setzen und die 880km von Bremen bis Konstanz in Angriff nehmen konnte, musste das schwierigste Problem der Tour gelöst werden: wie den Transport bewältigen, wenn man eigendlich kein Auto zur Verfügung hat? Die Bahn wollte nicht, Hermes, DHL und UPS konnten nicht (nix über 3,20m!) und die Damen und Herren von den Autovermietungen ermöglichen keinen Dachgepäckträger auf dem Leihwagen. Meiner Liebsten, die zwei Wochen auf das Auto verzichtet, habe ich es letztendlich zu verdanken, dass ich nun hier am Startpunkt sitze.

Die Fahrt hierher war ätzend lang, verlief aber glücklicherweise ohne Probleme. Wenn man davon absieht, dass ich mir den bisher heißesten Tag des Jahres ausgesucht habe. 35,8 Grad zeigte das Außenthermometer als Spitzenwert an, im Auto wurden daraus 36,8 Grad. Also genau die Temperaturen, bei denen ich mich wohlfühle. Morgen soll es ebenso sonnig werden, allerdings nicht mehr ganz so warm. Man wird sehen.

Mein Startpunkt ist der DKV-Campingplatz in Konstanz, bei dem ich das Auto während der 14 Tage stehen lassen kann. Am Ende werde ich also mit der Bahn hierher zurückkehren, um den netten Bus wieder abzuholen.

Nun also noch einmal schlafen und dann heißt es: Boot beladen und los!

38 Kilometer auf einem stillen und fast menschenleeren Altrhein - die Mühe hat sich gelohnt. Allerdings hatte ich am Ende wirklich lange Arme. Es gibt zwar keine Wehre unterwegs auf diesem Stück des Altrheins. Man kann also - und das ist nach all der Wehrumtragerei sehr angenehm - immer durchpaddeln. Aber der Altrhein führt nur wenig Wasser und das ergibt wenig Strömung. Etliche Schwellen sorgen einerseits für Spaß beim Durchfahren dieser lebendigen Flussstücke. Andererseits merkt man deutlich, wie auch vor ihnen das Wasser langsamer wird.

Aber ich habe keinen Grund zum Meckern. Der Wasserstand hätte nach Aussage der hiesigen Ruderer noch schlechter sein können. Auch so bin ich an einigen Schwellen nur gerade so rübergekommen und zum Glück nicht stecken geblieben. Man muss bei diesem niedrigen Wasserstand schon genau kucken, wo auf der Schwelle das meiste Wasser läuft. Durch Beobachtung lernte ich, dass das in der Regel in der Außenkurve noch zu Beginn der Schwelle am besten klappt.

Mit diesen Weisheiten waren dann die Schwellen, die wohl wegen des Wasserstandes viel häufiger und über längere Strecken, als es der Flussführer beschreibt, mit Spaß zu fahren und sorgten für die richtige Abwechslung auf dem langen Stück. Abwechslung? Tja, was unterhält einen so während der täglichen sechs Stunden im Boot? Da ist natürlich vor allem die Natur.

Immer gibt es was Interessantes zu sehen. Ob es nun die vielen Kormorane sind, die ihre Flügel zum Trocknen raus hängen. Oder eine Entenmama mit ihrer Kükenschar, die im wilden Zickzack vor dem Boot flüchten (es hilft da nichts, den Kurs von ihnen ab zu halten, die flüchten dummerweise immer stromab und da muss ich nunmal hin). Dann wieder fesselt einen wieder ein kapitaler Karpfen, der scheinbar übermütig direkt vor dem Boot einen Satz aus dem Wasser macht. Dann wieder die vielen Fischreiher mit ihrer Lauerstellung auf Fischpirsch. Ein Sperber saß heute unvermittelt am Ufer auf einem Stein und erst kurz bevor ich ihn sehr nah passierte flog er auf. Wie menschenleer dieses Stück ist, mag man daraus ersehen, dass ich sogar ein Reh völlig ungeniert am Ufer äsen sah. Da ich mich still treiben ließ, bemerkte es mich erst, als ich das Paddel bewegte, und machte sich mit einem eleganten Sprung ins hohe Ufergras unsichtbar.

So ließe sich die Reihe von Naturbeobachtungen fortsetzen ... und ich habe noch gar nicht mit den schönen Uferplätzen und besonderen Baumformen angefangen! Interessant ist zugleich, dass man während eines solchen Tages ohne Menschen ringsum doch gelegentlich mit sich selbst spricht. Und sogar zum Singen von selbstgedichteten, unsinnigen Versen verleitet das fortwährende Plitschplatsch des Paddelschlages den ansonsten gar nicht so sangesfreudigen, einsamen Paddler.

Etwa 8 Kilometer vor dem Breisacher Kulturwehr staut sich der Rhein auf und stellt jedes Fließen vollends ein. Nun heisst es doch noch einmal das Durchhaltevermögen zu erproben. Schmerzt da etwa die rechte Ellenbogensehne? Warum spürt man das Sitzfleisch jetzt so deutlich? Muss der Wind ausgerechnet jetzt von vorne kommen? All solche kleinen Wehwehchen melden sich mit Vorliebe in solchen Situationen. Zum Glück liege ich gut in der Zeit und kann gelegentlich eine kleine Pause einlegen. Nur das Aussteigen habe ich mir heute bis auf eine Pinkelpause verkniffen.

Schließlich komme ich kurz vor dem Breisacher Wehr beim hiesigen Ruderclub an, wo ich übernachten möchte. Nun liegt dieser einsame, freundliche Altrhein, der heute so frei von Menschen und anderen Booten war, leider wieder hinter mir. Vor mir liegt nun die Schifffahrtsststraße, in die ich morgen einfahren werde.

Der Breisacher Ruderverein nimmt mich bereitwillig auf und ich baue bei einigen Regentropfen mein Zelt auf. Dann noch schnell in den Ort gelaufen, um die notwendigen Vorräte aufzufüllen. Eine Pizzeria lädt zum Auslassen meiner Dosenkost ein und ich überrasche anscheinend den Kellner mit meinem Wunsch nach eine Calzone mit Pesto. Der Wirt Giovanni fragt mich auf italienisch, ob ich Italiener bin. Als ich verneine, meint er, dass ich aber wie einer aussehe. Das muss wohl an meiner frischen Farbe nach 10-tägigem Outdoor-Leben liegen. Er klagt über die etwas engstirnige Art der Breisgauer. Wir einigen uns darauf, dass es überall nette und weniger nette Menschen gibt. Aus seiner neuen Kaffeemaschine kriege ich noch einen leckeren Espresso zum Abschluss. Ausgerechnet heute bekam er die Mitteilung, dass seine alte Maschine nun nach achtmonatiger Reparatur wieder einsatzfähig sei. Das Thema erweist sich als abendfüllend.

Satt, müde und gehfaul vom Valpolicella leiste ich mir noch ein Taxi zurück zum Ruderverein. Hier finde ich jetzt auch den Clubwirt, Herrn Oltmann. Der gibt mir für fünf Euro Übernachtungsgebühr den Schlüssel für die Herrenumkleide mit Dusche und WC für morgen früh. Wie sich später herausstellt, handelt es sich um den Schlüssel für die Damenumkleide. Na, das kann ja heiter werden. Ich kann nur hoffen, dass keine der Damen am Dienstag morgen zum Rudern kommt.

Die Natur hat mich in die Zange genommen - und sie hat gesiegt. Ich bin geschafft. Windstärke 4, in Böen 5 und das direkt von Nord - das heißt direkt von vorn. Nach 25 Kilometern war dann Schluss, die Kraft spielte nicht mehr mit.

Eigentlich begann der Tag ganz vielversprechend. In Breisach frischte der Wind zwar schon auf, aber die Sonne schien, ich war ausgeruht und zog fröhlich an den ersten Passagierschiffen, die angeleint am Ufer lagen, vorbei. Dann kam die erste Kurve und ich dachte: 'Holla, das sieht ja aus wie auf der Unterweser bei kräftiger Brise.' Schöne, kräftige Wellen von vorne, der Wind bläst ins Paddel, sodass man es festhalten muss. Und in der Mitte des Rheins zeigen sich die ersten Schaumkronen. Zunächst genoss ich das Wind- und Wellenspiel. Die Strömung war kräftig und die erste Stunde brachte einen mutmachenden Schnitt von 9 Stundenkilometern. Meinen heutiges Ziel Ottenheim in 48 Kilometer Entfernung, das ich mir wegen der zu erwartenden Strömung vorgenommen hatte, schien so gut erreichbar. Die Schifffahrtsstraße verläuft hier abwechselnd im Rheinbett und vor den Schleusen jeweils einige Kilometer in begradigten Kanälen. Die wollte ich heute auch nehmen, sodass ich in den verbleibenden Tagen vorraussichtlich Karlsruhe bei Kilometer 360 erreichen könnte.

Doch es kam anders. Zwei Kilometer vor Marckolsheim, der ersten Schleuse, stand das Wasser und nun hieß es ohne Strömung gegen den Wind die Schleuseneinfahrt erreichen. Es kann schon sehr frustrierend sein, wenn man die Schleuse schon vor sich sieht, aber ein Blick zum Ufer den Nachweis erbringt, dass man sich nur langsam Meter für Meter vorwärts kämpft. Noch ein Kilometer und ich sehe, dass ein Schiff gerade in der Schleuse flussabwärts festmacht. Ob ich es noch erreiche, um mitgeschleust zu werden? Wer weiß, wann das nächste Schiff kommt! Noch 500 Meter ... und das Schleusentor schließt sich. Ich fluche. Entweder hat man mich nicht gesehen oder der Schiffskapitän hatte es sehr eilig. Ich lasse erstmal das Paddel fallen. Ran ans Ufer und Pinkelpause machen.

Schließlich setze ich mich wieder ins Boot, krame mein Handy heraus und rufe unter der in der Wasserkarte angegebenen Nummer den Schleusenmeister an. Ja, ob ich denn mein kleines Boot nicht eben umtragen will? Ich erkläre ihm, dass es ziemlich schwer und die Verhältnisse zum Aussetzen nicht gerade günstig sind. Ich habe einfach keine Lust, nach der Plackerei nun auch noch die Schleuse zu umtragen. Ich könne mit dem nächsten Schiff schleusen, müsse mich aber bis zu einer Stunde gedulden. Außerdem müsse ich eine Schwimmweste in der Schleuse tragen. Die trage ich ohnehin auf der ganzen Tour, denn ich bin allein unterwegs und da geht man kein Risiko ein.

Also noch mal kräftiger Zeitverlust. Dann kommt aber recht bald ein Schiff, offensichtlich ein holländischer, zum Wohnschiff umgebauter ehemaliger Lastkahn. Der war mir vorher schon hinter Breisach am Ufer liegend wegen der vielen Pflanzen, die in Kübeln auf dem ganzen Deck verteilt waren, aufgefallen. Sogar ein Baum wächst darauf!

Der Kapitän winkt mir ihm in die Schleuse zu folgen und ich beeile mich hinterher zu paddeln. Noch nie habe ich eine Schleuse sich so schnell entleeren erlebt. Es geht fast wie im Fahrstuhl etwa 10 Meter nach unten. Man merkt, dass diese Schleusen für den Schiffsverkehr, der hier viele Schleusen passieren muss, optimiert sind. Kaum ist der Schiffskahn, der fast die ganze Breite der Schleuse einnahm, aus der Schleuse und ich muss schon in der Schleuse gegen heftigen Wind kämpfen, um überhaupt raus zu kommen.

Der Rhein hat es heute wirklich in sich. Im Unterwasser der Schleuse heißt es weiter ohne Strömung gegen Wind und Wellen vorwärts kämpfen. Auch ohne Schiffe gibt es hier starken Wellengang und die eine oder andere lässt meine Bootsspitze eintauchen und verpasst mir eine Dusche. Das macht mir zum Glück nichts aus, denn Wellen und Gischt mag ich sehr. Immerhin fahre ich ja ein Seekajak und das kann jetzt seine Vorteile ausfahren. Schön lang reitet es die Wellen aus, das Kurshalten fällt viel leichter als in einem kleineren Wanderboot.

Dennoch merke ich wie die Sache in richtige Schwerarbeit ausartet. Der Wind nimmt noch zu und da er direkt von vorne kommt, gibt es auch keine windgeschützte Uferseite. Als ich einen kurzen Halt am linken Ufer mache und mir meine Paddeljacke anziehe, versuchen zwei Wohnmobilfahrer mit mir zu sprechen. Aber der Wind trägt unsere Worte fort und so bleibt es beim freundlichen Zuwinken.

Auf der Strecke zum nächsten Schleusenkanal wird mir klar, dass es heute nicht mehr viel weiter geht. Meine Kräfte lassen bereits nach. Auf der Höhe Weisweiler kommt ein Motoryachtclub in Sicht. Ich lande am Bootssteg an und steige aus. Ein freundlicher Yachtbesitzer erklärt mir, dass ich zwar hier nicht bleiben kann. Aber hundert Meter weiter sei eine Gemeindewiese, auf der immer mal wieder Paddler übernachten.

Ich fahre dort hinüber und sehe einen vielversprechenden Kiosk mit Kaffee und Kuchen. Also erstmal das Boot aus dem Wasser und zur Wiese gerollert. Ich ziehe mir schnell was Wärmeres an und gehe einfach Kaffeetrinken. Gestärkt und etwas erholt baue ich dann mein Lager auf. Ein Gemeindeaufseher kommt mit seinem Geländewagen vorbei und ruft rüber: "Junger Mann, hier ist Zelten verboten!" Ich erkläre ihm die Situation und er willigt ein, dass ich heute nacht hier bleiben kann. Aber morgen früh sei ich doch sicher wieder weg? Ich bedanke mich höflich bei ihm (innerlich freue ich mich über den "jungen Mann").

Ich packe meine Karten aus und überdenke meine Planung. Selbst wenn der Wind morgen abnehmen sollte, ist Karlsruhe nicht mehr in der Zeit zu erreichen. Aber ich hatte mir ja sowieso das Ziel offen gelassen. Ich teile meine nächsten Tagesrouten etwas bescheidener neu ein und entscheide mich für Straßburg als Ziel. Das ist bei Kilometer 295, zusammen mit meinen ersten Kilometern vor Konstanz wären es dann glatt 300 Kilometer, die ich dann gepaddelt bin. Ist doch auch ne schöne Zahl.

Heute kommt mein mitgenommenes Autan zum Einsatz. Auf der Wiese gibt es ganze Schwärme von kleinen, fiesen Stechmücken. Die mögen mein Autan aber überhaupt nicht und so bleibe ich unbehelligt. Meine Ausrüstung hat sich bislang sehr gut bewährt. Die einzigen drei Dinge, die ich bislang überhaupt nicht brauchte, waren meine Gaslampe, meine Ersatztaschenlampe und mein Taschenmesser. Alles andere passte gut. Sogar mein Multiwerkzeug war bei der notwendigen Reparatur meines Stuhles sehr nützlich.

Ein reichhaltiges Nudelabendessen am Zelt und ein leckeres Bier am Kiosk zusammen mit einem Bilderbuch-Sonnenuntergang lassen den Tag dann doch noch in einem inneren Lächeln zu Ende gehen.

Der Tag der Wehre und Schwäne. Wegen des zwar schwächeren, aber anhaltenden Windes entschloss ich mich, heute die beiden Altrheinarme zu fahren. Das hat zwar den Nachteil, dass ich insgesamt sechs Wehre (als feste, nicht fahrbare Schwellen installiert) zu umtragen habe. Aber ich komme wenigstens durch schöne Wasserlandschaften, die das Paddeln leichter machen, wenn man nur langsam vorankommt.

Tatsächlich hat mich die Natur heute noch einmal reich mit herrlichen Bildern verwöhnt. Die wohl größten Ansammlungen von Schwänen, die ich je gesehen habe, putzen sich friedlich auf kleinen Kiesbänken im Flussbett. Wenn sie nicht gerade meinen Kurs kreuzen. Es ist wirklich auffällig: eben hielt sich die ganze Schwanenarmada noch am Ufer auf und ich fahre extra einen Bogen, um sie nicht zu stören. Prompt zieht die Armada los und quer zu meinem Kurs übers Wasser. Inzwischen störe ich mich nicht mehr daran. Ich fahre geruhsam weiter. Irgendwann gibt es dann immer wieder einen Massenstart, wenn die Schwäne der Meinung sind, dass ich ihnen nun doch zu nahe gekommen bin. Ist schon beeindruckend, mit welcher Wucht die Vögel Anlauf nehmen und dann mit ihren riesigen Flügeln abheben. Angegriffen hat mich bisher noch keiner.

Eine "hilflose" Ente begegnete mir heute auch mal wieder. Ich habe sie wohl mit ihren Jungen überrascht und dann spielt Mama Ente immer das hilflose, scheinbar leicht zu erreichende Opfer, indem sie flügelschlagend, aber angeblich unfähig abzuheben den vermeintlichen Feind von den Jungen weglockt.

Sehr langsam kam ich auch heute nur voran. Für die 23,4 Kilometer brauchte ich immerhin sechs Stunden. Selbst auf dem "frei fließenden" Stück zwischen den Schleusenkanälen hatte ich sogar Mühe einige Fußgänger zu überholen. Fluss, woher kommt dein Name, fließt du denn nie? Aber ich hatte mir ja gestern bescheidenere Entfernungen vorgenommen und so hat mich der Mut nicht verlassen.

Ordentlich müde war ich dann aber doch, als ich bei den Wassersportfreunden Lahr ankam, um auf deren Rheinwiese mein Zelt aufzuschlagen. Alle Versuche, jemanden zu finden, der mir die Erlaubnis gäbe zu übernachten, schlugen jedoch fehl. Der Platz war wie ausgestorben und auch per Handy war das Problem nicht zu lösen. Also einfach aufbauen und warten, bis jemand zum Meckern kommt.

Heute habe ich zum ersten Mal seit drei Tagen wieder eine kleine Ortschaft gesehen. Laut Karte habe ich zwar mehrere Orte passiert, die liegen aber wohl wegen der Hochwassergefahr nicht direkt am Wasser. Man fährt also durch ein fast menschenleeres Gebiet und sieht höchstens einmal einen Spaziergänger oder Radfahrer. Gut, dass ich morgen wieder etwas Zivilisation genießen kann. Meine Essensvorräte halten zwar noch, aber das Wasser würde sonst morgen knapp werden.

Insgesamt merke ich jetzt auch, wie die Anstrengung des langen Paddeln doch langsam zehrt. Und doch saß ich heute müde nach einem Umtragen am Wehr, sah auf das Wasser und die Gegend ringsum und musste lachen: ja,deshalb bist du hier! Nur auf dich selbst gestellt, mitten in einer herrlichen Natur und ziehst immer weiter den Fluss hinunter. Eigentlich schade, dass morgen der letzte Paddeltag ist. Aber erstmal war es dann auch wohl genug, wenn ich an meine müden Arme denke. Ich freue mich auf zuhause.

 

Angekommen! Was für eine Tour. Ich bin schon stolz, dass ich es geschafft habe. Mit den Kilometern vor Konstanz und meinen Rheinquerungen bin ich mehr als 300 Kilometer gepaddelt. Keine wirklichen Pannen oder gar Unfälle. Das war eine Flusstour zum Genießen.

Der letzte Tag verlief nach der Plackerei der letzten beiden Tage noch mal so richtig gut. Der Wind machte heute nicht so viel her, dafür floss der Rhein etwas mehr. Keine Wehre heute zu umtragen, was für eine Erholung!

Kurz vor der Einfahrt des Schleusenkanals Straßburg fuhr ich die höchsten Wellen, die mir bisher im Kajak begegnet sind - drei bis vier davon waren wohl an die zwei Meter hoch. War das ein Spaß! Rauf und runter wie auf der Achterbahn. Die Wellen bauen sich hier wohl durch den Stau des Wehres rechts, den Schleusenkanal links und die freie Bahn für den Wind von vorn so hoch auf.

Schließlich war das Stück geschafft. Dabei wollte ich doch nur noch schnell hinter dem Schiff des WSA die Schleuse erreichen. Aber keine Chance, die waren zu schnell für mich. Dafür hatte der Schleusenmeister ein Herz und öffnete die zweite Schleuse für mich ganz allein. Gut wenn man die Telefonnummern der Schleusen dabei hat. Wenn man überlegt, wieviele Tonnen Stahl und Wasser für mich kleinen Paddler da bewegt wurden! Hinter der Schleuse erwartete mich schon links der Industriehafen Straßburgs und rechts ein schöner Kiesstrand, der mich zur Rast einlud.

Bald ging es weiter und rechts empfing mich schon Kehl mit schönen Rheinanlagen. Man hat dort noch vor der Europabrücke eine schöne, neue Fußgängerbrücke gespannt, von der mich wieder Passanten begrüßten. Ich erinnerte mich an Konstanz - ein ähnlich schönes Gefühl wie beim Start.

Nun noch unter der Europabrücke und der Eisenbahnbrücke durch und gleich dahinter links ist die Einfahrt in den Sportboothafen mit dem Bootshaus der Kehler Paddler-Gilde, wo ich meine Tour beenden will. Aber zunächst fahre ich da noch kurz vorbei. Ich will noch 300 Meter weiter und das Kilometerschild 294 fotografieren. Das muss nun mal so sein.

Dann ist auch das erledigt und es geht das kurze Stück zurück. Da ist schon der Anleger der Paddler und ich steige mit einem Triumphgefühl aus. Nun ist die Paddelei vorbei.

Der Platz ist schön und ich rufe jemand von der Paddler-Gilde an, um um Erlaubnis und den Bootshausschlüssel zu fragen. Wolf ist auch gleich zur Stelle und weist mich ein. Man ist hier auf Wanderpaddler eingestellt, obwohl Wolf meint, die Rheinwanderer seien in letzter Zeit weniger geworden, man fahre wohl heute mehr auf der Donau. Dafür darf ich im mondänen Club der Yachten nebenan duschen, was für ein Luxus dort im Gegensatz zu unserer Bootshauskultur der Paddler.

In Kehl decke ich mich mit dem Nötigsten ein und starte noch eine Wanderung hinüber nach Straßburg. Hinter der Brücke sehe ich auf einer Karte, dass daraus wirklich eine Wanderung wird, denn zum Stadtzentrum sind es einige Kilometer. Da ich auch kein Taxi treffe, komme ich schließlich müden Fußes nach Straßburg. Es gibt sehr schöne alte Häuser und den beeindruckenden Münster.

Anscheinend klappt Straßburg jedoch abends die Bürgersteige hoch, ich habe Mühe eine gemütliche Bar zu finden, in der ich meinen Tagesbericht schreiben kann.

Morgen geht es dann per Zug nach Konstanz, um das Auto her zu holen. Dann gibt es noch eine Übernachtung im Bus und am Samstag geht's ab nach Hause.